Mehrteiliges Konzept für Teilhabe und zur Entlastung sozialer Konfliktorte in der Innenstadt
Die Landeshauptstadt Hannover hat am 28. Oktober 2021 ein neues Konzept zur Winternothilfe vorgelegt. Wichtige Eckpunkte des neuen Winternothilfeprogramms für wohnungslose Menschen sind: die Einrichtung eines Nachtcafés, die Öffnung der Notschlafstelle Alter Flughafen als Tagesaufenthalt und die Kapzitätserweiterung mehrerer Tagesanlaufstellen für Drogensüchtige. Die Arbeit der Stadt basiert zudem zukünftig auf einem neuen, eigens geschaffenen Fachbereich der Landeshauptstadt Hannover.
Die Landeshauptstadt Hannover hat seit dem vergangenen Winter Hilfsangebote weiterentwickelt und Umfragen zum Thema Wohnungslosigkeit durchgeführt. Mit der Neu-Etablierung des ‚Runden Tisches Wohnungslosigkeit‘ hat die Stadt zudem den stetigen Austausch mit den sozialen Verbänden/Träger*innen, den Vertretungen von durch Wohnungslosigkeit betroffenen Menschen und Ehrenamtlichen gesucht. „Die verschiedenen Stimmen zu hören, war und ist wesentlich, um ein ganzheitliches Bild für die Bedürfnisse wohnungsloser Menschen zu erhalten“, betonte Oberbürgermeister Belit Onay.
Winterkonzept für Teilhabe
„Wir haben für den Winter ein mehrteiliges Maßnahmenpaket geschnürt, das wohnungslosen Menschen im Winter und in der noch anhaltenden Corona-Pandemie zusätzliche Möglichkeiten des Aufenthalts gibt. Es besteht aus drei Schwerpunkten: innenstadtnah ein ‚Nachtcafe´ als Anlaufstelle zum Austausch in den Räumlichkeiten des Kompass, die Notschlafstelle Alter Flughafen als 24-Stunden Aufenthaltsort am Tag und in der Nacht ab voraussichtlich dem 1. Dezember bis zunächst Ende Februar 2022 und eine Erweiterung der Aufenthaltskapazitäten für Drogensüchtige an verschiedenen Standorten in der Stadt. Mit diesem Konzept wollen wir die gesellschaftliche Teilhabe wohnungsloser Menschen in Hannover sicherstellen und ihnen je nach ihren individuellen Bedürfnissen verschiedene Anlaufstellen im Winter bieten. Gleichzeitig wollen wir zur Befriedung sozialer Konfliktorte beitragen, in dem wir insbesondere für drogensüchtige Menschen mehrere Anlaufstellen anbieten“, erläuterte Oberbürgermeister Belit Onay. „Das Konzept ist das Ergebnis der Erfahrungen aus dem letzten Winter und der sehr konstruktiven Zusammenarbeit mit dem Runden Tisch Wohnungslosigkeit, für die ich mich ausdrücklich bedanken möchte“, unterstrich Onay.
Neuer Fachbereich – Synergieeffekte und zusätzliches Personal
Der neue Fachbereich „gesellschaftliche Teilhabe gliedert sich in drei Bereiche: der erste ‚Einwanderungsstadt Hannover‘ umfasst u.a. die Migrations- und Flüchtlingsberatung, die Antidiskriminierungsstelle und die Koordinierungsstelle Zuwanderung Osteuropa. Der zweite Bereich heißt „Wohnen und Leben in Gemeinschaftsunterkünften und Wohnungen“, bislang unter der Bezeichnung „Unterbringung“ bekannt. ‚Soziale Hilfen in Wohnungslosigkeit‘ bezeichnet die dritte Einheit mit u.a. der Koordination der Wohnungslosenhilfe, der Straßensozialarbeit und den Hilfen in besonderen sozialen Schwierigkeiten. Diese drei Bereiche arbeiten künftig eng verzahnt miteinander.
Zentrale Themen werden beispielsweise die Integration der Geflüchteten sein, Fragen zu Art und Qualität der Unterbringung und die Weiterentwicklung von Angeboten für wohnungslose Menschen.
„Mit dem Fachbereich ‚gesellschaftliche Teilhabe‘ richten wir das Sozialdezernat und damit die Arbeit für Wohnungslose sowie die Integration geflüchteter Menschen in Hannover neu aus. Die Bündelung von sozialen Hilfsangeboten und Unterbringung in einem Dezernat ist für mich wesentlich, um wichtige Synergieeffekte für die schnellere und effizientere Hilfe für wohnungslose Menschen zu schaffen“, betonte Onay.
„Eine zentrale Aufgabe wird es sein, eine Strategie zu entwickeln, wie wir das Thema Wohnungslosigkeit langfristig angehen wollen, auch vor dem Hintergrund der Ziele des Europaparlamentes diese bis 2030 abzuschaffen“, so Sozialdezernentin Sylvia Bruns in einem Ausblick.
Personelle Verstärkung erhält der Bereich Straßensozialarbeit. Aus den Umfragen, die die Stadt zum Thema Wohnungslosigkeit durchgeführt hat, wurde bestätigt , dass es einen Bedarf für Begleitung der Menschen auch in den Stadtteilen außerhalb von Hannover Mitte gibt. Außerdem hat die Stadt einen weiteren Fokus auf obdachlose Frauen gelegt, die häufig von verdeckter Wohnungslosigkeit betroffen sind, d.h. sie sind schwieriger zu erreichen und anzusprechen.
Zwei Sozialarbeiterinnen speziell für obdachlose Frauen sind bereits neu an Bord bzw. starten zum 1. November. Perspektivisch ist der Aufbau von vier Stellen für die Straßensozialarbeit in den Quartieren geplant.
Notschlafstelle Alter Flughafen als Tagesaufenthalt
Da die Tagestreffs aufgrund der immer noch anhaltenden Corona Infektionslage reduzierte Aufenthaltskapazitäten gemeldet haben, plant die Stadt die Notschlafstelle Alter Flughafen ab dem 1. Dezember zunächst bis Ende Februar 2022 vierundzwanzig Stunden zu öffnen und somit für die kalten Wintermonate als Tagesaufenthalt nutzbar zu machen. „Aufgrund der guten Erfahrungen mit dem Tagesaufenthalt in Ahlem im letzten Jahr und der noch immer, pandemie-bedingt, schwierigen Rahmenbedingungen in diesem Winter haben wir mit der Öffnung des Alten Flughafens ein zusätzliches Angebot geschaffen, dass die Menschen nutzen können. Es hat logistische Vorteile, da keine Transfers in die Stadt notwendig sind“, führte Bruns aus.
Nachtcafé – Anlaufstelle bei Nacht, nahe der Innenstadt
Aus den Workshops zur Winternothilfe wurde ein Bedarf für einen witterungsgeschützten, nächtlichen Aufenthaltsraum bekräftigt. Das sogenannte „Nachtcafé“ wird ab dem 15. November gemeinsam von der Stadt, ehrenamtlichen Kräften der Obdachlosenhilfe (OHH) und der Diakonie in den Räumlichkeiten des Kompass betrieben. Zielgruppe sind Menschen, die keine städtischen Übernachtungsangebote annehmen wollen oder können. Es soll ein niedrigschwelliger, witterungsgeschützter Aufenthaltsort für die Nacht sein, an dem man sich ausruhen kann, Ansprechpartner*innen findet, aber auch kostenlos heiße Getränke. oder eine Suppe bekommen kann. „ Mit dem Nachtcafé geben wir den Menschen innenstadtnah einen Treffpunkt zum Aufwärmen und zum Austausch. Ich danke allen Beteiligten und besonders den Ehrenamtlichen für die große Bereitschaft zu helfen. Ich bin überzeugt, dass viele wohnungslose Menschen sehr dankbar für diese neue Anlaufstelle in der Nacht sind“, so Bruns weiter.
Kapazitätserweiterungen für Tagesaufenthalt von Drogensüchtigen an mehreren Standorten
Am Drogenkonsumraum Stellwerk, im Bauwagen unter der Raschplatzhochbrücke und bei La Strada (Anlaufstelle für drogengebrauchende Frauen) werden aufgrund der reduzierten Nutzung im Innenbereich im Außenbereich zusätzliche Aufenthaltsmöglichkeiten durch Zelte/Wetterschutz, Heizstrahler etc. geschaffen. Insgesamt werden damit ab 1. November in drei Einrichtungen fünfzig zusätzliche Plätze für die kalten Wintermonate geschaffen. Dabei handelt es sich um ein zusätzliches Angebot während der bisherigen Öffnungszeiten. Durch dieses Konzept mehrerer Anlaufstellen sollen größere Ansammlungen vermieden werden. Die Plätze im Drogenkonsumraum werden zudem ab 1. November auf zunächst sechs erhöht. Die Warteliste wird aufgehoben und direkter Konsum im Stellwerk ist wieder möglich, eine Maßnahme, die ebenfalls zur Entlastung des öffentlichen Raums beitragen soll.
Neue Angebote für obdachlose Frauen
Frauen sind in besonderer Weise von Wohnungslosigkeit betroffen. Durch die neue Expertise der Sozialarbeiterinnen der Stadt können jetzt wichtige Angebote, wie das Projekt „FrauSein“ gestartet werden. Dabei wurde von obdachlosen Frauen ein Bedarf nach Hygieneartikeln ausgesprochen, da das Leben auf der Straße besondere Anforderungen an die Körperhygiene stellt und nicht immer ein Zugang zu Duschen/sanitären Anlagen vorhanden ist. Die Stadt hat daraufhin über Finanzmittel des städtischen Interventionsfonds „Hygienebeutel“ vorbereitet, die Artikel wie Intimpflegetücher, Binden, Tampons enthalten. Es gibt ebenfalls ein Angebot für Männer, das beispielsweise Utensilien zum Rasieren enthält. Das Angebot wird mit einem Flyer beworben und ab sofort werden die Beutel über die städtischen Straßensozialarbeiter*innen verteilt.
Neben konkreten Projekten arbeitet das Sozialdezernat der Landeshauptstadt Hannover auch konzeptionell an einer stärkeren Vernetzung. So gab es Ende Oktober einen ersten Austausch von Akteurinnen im Themenfeld „Wohnungslose Frauen“, darunter auch das Referat für Frauen und Gleichstellung und die Region Hannover. Ziel ist es, ergänzend zu bestehenden Arbeitsstrukturen, die Vernetzung zwischen den Angeboten der Frauenberatung-/ Unterstützung und den Angeboten der Wohnungslosenhilfe zu verbessern.
Neuer Internetauftritt zum Thema „Wohnungslosigkeit“ im Aufbau
Die städtischen Umfragen zum Thema Wohnungslosigkeit ergaben einen Bedarf vieler Menschen nach einer klaren Kommunikation der städtischen Angebote und Anlaufstellen. Auf der Internetseite www.hannover.de/wohnungslos-stadt-hannover-hilft wird die Stadt künftig diese Informationen bereitstellen. Geplant ist auch ein Bereich, in dem speziell die Fragen der Wohnungslosen beantwortet werden und das in mehreren Sprachen (Polnisch, Russisch etc.).
Ehrenamtliche und soziale Träger*innen in der Winternothilfe sehr engagiert
Im Rahmen des städtischen Netzwerks sozialer Träger*innen werden folgende Angebote in diesem Winter wieder umgesetzt: Kältebusse (Caritas, Malteser, Johanniter) an der Goseriede / Nikolai Kapelle und Kröpcke von 17:30 bis 20:30 Uhr. Zusätzlich zur klassischen Straßensozialarbeit findet auch ambulante medizinische Versorgung auf der Straße statt (Sida e.V., Homeless Care Projekt, Neues Land e.V.). Ehrenamtliche organisieren die Ausgabe von Essen, warmen und kalten Getränken, Lebensmitteln und Artikeln des täglichen Lebens, wie z.B. Hygieneartikel. Die Ökumenische Essensausgabe wird ebenfalls fortgeführt. Eine ergänzende nächtliche Versorgung durch ehrenamtliche Unterstützer*innen (z.B. mit Getränken, Kleidung oder Essen) ist geplant. Eine regelmäßige Tierversorgung (Futter und Medizin) durch das Tierarztmobil wird ebenfalls umgesetzt. Detailliertere Informationen auch zu den jeweiligen Öffnungszeiten finden sich unter www.hannover.de/wohnungslos-stadt-hannover-hilft)
Verlängerte Öffnungszeiten der Notschlafstellen
Die fünf städtischen Notschlafstellen bieten rund 200 Übernachtungsplätze für Frauen, Frauen mit Kindern, Männern und Familien je nach Schwerpunkt der Einrichtung. Die Öffnungszeiten werden für alle Notschlafstellen verlängert, von abends 17.00 Uhr bis morgens um 9.00 Uhr.
Die Notschlafstellen stehen allen Obdachlosen in Hannover offen und können direkt ohne Anmeldung aufgesucht werden. Eine rechtliche Prüfung wird vor Ort nicht durchgeführt. Die Angabe der Personalien und nach Möglichkeit einer Handynummer sind erforderlich. Die Benutzung der Notschlafstellen ist kostenlos. Einige der Notschlafstellen bieten barrierefreie Plätze.
In der Notschschlafstelle Alter Flughafen werden zudem sechs Notschlafplätze für obdachlose Menschen mit Hunden vorgehalten. Kostenlose Hundekörbe werden bereitgestellt. Für die Fahrt zum Alten Flughafen werden nach Bedarf Einzelfahrkarten zur Verfügung gestellt. Bei erstmaligen Erreichen von Temperaturen unter < 0° Grad Celsius werden die Öffnungszeiten der Notschlafstellen ausgeweitet, auf 16:00 Uhr bis 10:00 Uhr. Bei Erreichen von Temperaturen ab – 15 ° Grad Celsius bleiben die Notschlafstellen vorrübergehend als weitere Notfallmaßnahme auch am Tag geöffnet (Sondermaßnahme Alter Flughafen).
Die genannten Winternothilfemaßnahmen gelten vom 1. November 2021 bis 31. März 2022 (alle Angebote siehe Flyer auf www.hannover.de/wohnungslos-stadt-hannover-hilft).
Anträge für Finanzmittel für Mikroprojekte im städtischen Interventionsfonds für 2022 möglich
Der städtische Projekt- und Interventionsfonds dient dazu, kleinteilige Projekte zur Unterstützung wohnungsloser Menschen zu initiieren und temporär zu unterstützen. Gefördert werden dabei Ausgaben, die nicht durch andere Fördermittel oder Eigenmittel abgedeckt werden können. Es können nicht nur Projekte der Verwaltung, sondern auch Projekte Dritter (Vereine, Initiativen) zur Unterstützung wohnungsloser Menschen temporär finanziert bzw. gefördert werden. Der Höchstförderbetrag pro Projekt liegt bei 5.000 Euro.
Bisher wurden zahlreiche Projekte entwickelt. So werden im Rahmen der Winterhilfe zum Beispiel Schlafsäcke und Kleidungsstücke finanziert, die vorhandene Spenden ergänzen (Unterstützung von Kleiderkammern), die Ausstattung von Essensausgaben optimiert (Geschirrspüler), aber auch Informationen zu frauenspezifischen Gesundheitsangeboten entwickelt
Bildquellen:
- Stadt Hannover: Stadt Hannover