Die Creme de la Creme der zeitgenössischen Sound- und Slam Poetry gibt sich am Freitag (27. November) ein Stelldichein in der städtischen Galerie KUBUS. Um 17 Uhr (Einlass) stellen sechs Performance-KünstlerInnen und Gäste ihr Können unter dem Motto "Text als Performance – Sprache als Klang" unter Beweis. Der Eintritt kostet fünf Euro.
Im vergangenen Jahrhundert verfassten Raoul Hausmann (1886-1971) und Kurt Schwitters (1887-1948) bedeutende Lautgedichte. Mit den Aufführungen der Ursonate und Anna Blume wird dem Sohn der Stadt ab und zu die Ehre erwiesen. Zeitgenössische Lautpoesie ist eher selten zu hören. Die Szene ist klein, aber aktiv. Eine der bedeutendsten Lautpoetinnen, Elke Schipper, lebt in unserer Stadt. Seit 1984 ist sie mit eigenen Werken hoch anerkannt und ausgezeichnet im In- und Ausland unterwegs.
Anknüpfend an die Veranstaltung "phonette I" im vergangenen Jahr freuen sich Valerie Scherstjanoi (Berlin) und Jelle Meander (Gent), wieder in der Stadt Kurt Schwitters auftreten zu dürfen.
Hannover hat seit nahezu 15 Jahren eine aktive Slam Poetry-Szene. Was auf der Bühne spontan und spritzig aussieht, ist oft akribisch einstudiert, jeder Auftritt originell in Performance und Mundartistik. Als die wichtigsten Vertreter dieser Zunft gelten Wehwalt Koslowski alias Frank Wesselmann (Berlin), Felix Römer (Marburg) und die Hannoveraner Tobias Kunze, vielfach präsentiert von Henning Chadde (Moderation).
Sound Poetry
Sprache ereignet sich als Sprechen. Sprachklang ist Impuls aller Dichtung. Silben, Worte, Sätze bleiben stumm ohne Rhythmus, Akzent, Dynamik und Stimmfärbung. Abzählverse, Zungenbrecher, Beschwörungsformeln und Lautpoesie machen diese Plastizität und Energien von Sprache zu einem autonomen Lautgeschehen. Wie zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts vom italienischen und russischen Futurismus sowie DADA gefordert, werden die Beschränkungen der Grammatik dabei durchbrochen. Das tönende Material dieser Dichtung verlässt das Sprechen in seinem gewohnten Nutzen und Gestus. Vorsprachliches wird freigelegt – im Stammeln und Röcheln, im Gurren und Hecheln.
"Alle drei LautpoetInnen arbeiten mehrsprachig, fragmentieren, collagieren und montieren. Ihre Dichtung ist komponiert und teilt sich doch in jedem Vortrag neu mit", schreibt Elke Schipper
Slam Poetry
Vom Feuilleton bis hin zu Funk und Fernsehen – Poetry Slams liegen im Trend. Die moderne Form eines Dichterwettstreites und ihre Gattung, die Slam Poetry, besticht durch eine beinahe unüberschaubare Vielseitigkeit an Ausdruck, Inhalten und Themen – bunt wie die Poeten und das Leben selbst. Erlaubt ist, was Spaß macht und dem Textvortrag dient. Schauspiel und Performance, freier Vortrag und Lesung, Rap und Freestyle-Poesie, literarische Comedy und Popliteratur, Lyrik sowie klassische Kurzgeschichten. Allen Formen liegt die besondere Atmosphäre des Live-Vortrages zugrunde und der direkte Publikumskontakt rückt den Text in die Nähe eines Live-Konzertes. Bei einem Poetry Slam ist Interaktion erwünscht, teils gar tragendes Element der Textperformance; das Publikum wird oftmals selbst zum Teil des Vortrags. "Kein Wunder, denn schlussendlich ist es aufgefordert den Slam-Champion des Abends zu küren. Und dann heißt es: And the winner is…", schreibt Henning Chadde.
Biografische Angaben zu den KünstlerInnen:
Valeri Scherstjanoi
Geboren 1950 in Kasachstan, dem Verbannungsort seiner Eltern, wuchs bei Krasnodar auf. Seit 1968 Vortrag eigener Gedichte und Texte der russischen Futuristen. 1979 Übersiedlung in die DDR, lebt seit 1981 in Berlin. Lautdichter und Autor radiophoner Hörspiele. Künstlerbücher im Hybridenverlag seit 1997. 2009-2010 Gastdozent am DLL, Leipzig. 2010 Alice Salomon-Poetik-Preis.
Jelle Meander
Jahrgang 1977, lebt in Gent/Belgien, Dichter, Musikwissenschaftler, Leiter der Festivals "krikri" und "zaoem" für experimentelle Poesie. Seit 2000 vor allem internationale Auftritte mit poetischen Stücken und Zyklen wie "triplum", "Dicht Boek" und "Vers Boek". Die Arbeiten werden als Performances realisiert. Dissertation über die Fusion von Musik und Sprache.
Elke Schipper
Freie Autorin, Kuratorin. Texte zur bildenden Kunst und zeitgenössischen Musik mit dem Schwerpunkt auf einer Theorie künstlerischer Improvisation. Seit 1984 Auftritte mit eigener Lautpoesie und Ausstellungen ihrer visuellen Poesie "gegenschriften" im In- und Ausland. Mehrfach ausgezeichnet.
Tim von Kietzell
Lebt in Hannover. Schauspieler, Theatermacher und Kurt Schwitters Interpret.
Günter Christmann
(Cello, Posaune)
Konzertiert seit 1968 weltweit, Interpret Neuer Musik und freie Improvisation. Begleitet Elke Schipper.
Wehwalt Koslovsky
Jahrgang 1972, lebt in Berlin. Freier Autor und Literaturveranstalter, Wortperformance-Pionier. Seit 1994 mehr als 1.000 Auftritte in Europa und den USA. Vielfach ausgezeichnet. Seit 2007 Dozent am Germanistischen Institut der Heinrich-Heine Universität, Düsseldorf.
Felix Römer
Jahrgang 1979, lebt Marburg und Berlin. Slam Poet, Schauspieler. Auf allen deutschen Klein- und Großkunstbühnen unterwegs. 2005 Mitbegründer der literarischen Boygroup SMAAT. 2007 Teamtitel der deutschsprachigen Poetry Slam-Meisterschaften. Engagiert sich für die literarische Förderung Jugendlicher.
Tobias Kunze
Jahrgang 1981, lebt in Hannover. Studium der Visuellen Kommunikation. Autor und Rapper. Gewann 2009 nahezu 50 Poetry-Slams. Mitglied der Lesebühne Nachtbarden und der Band Föderation. Herausgeber der Popliteratur-Sammlung Stadtgeschichten bei Mischwetter. Interpretiert Kurt Schwitters.
Henning Chadde (Moderation)
Jahrgang 1969, Autor, Journalist, Kulturmanager. Betreibt seit 15 Jahren eigene Lesereihen in Hannover u. a. ABC-Alarm!, Macht Worte! und Überholspurpiraten. Mitherausgeber von "langeleine.de – Das Online-Journal für Hannover".