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Mobilitätsrat – 10 Empfehlungen für den Masterplan Mobilität Hannover

Hinweisschild auf die veränderte Verkehrsführung

In welche Richtung soll sich die Mobilität in Hannover entwickeln?

Es ist ein ganz neues Format, das die Stadtverwaltung für die Beteiligung von Einwohner*innen aufgelegt hat: der Mobilitätsrat. 40 zufällig ausgewählte Personen aus der hannoverschen Stadtgesellschaft haben in insgesamt vier Sitzungen über die Zukunft der Mobilität in der Stadt gesprochen. Jetzt haben die Teilnehmenden ihre Ergebnisse Oberbürgermeister Belit Onay vorgestellt. Insgesamt wurden zehn Handlungsempfehlungen formuliert.

„Ich bin froh, dass wir uns als Verwaltung entschieden haben, diesen Beirat einzurichten. Wir machen schließlich Politik für die Menschen vor Ort und genau diese sollten auch mitdiskutieren, wie die Stadt gestaltet wird“, sagt Onay. Der Auftrag geht zurück auf einen Haushaltsbegleitantrag der Ratsfraktionen Bündnis 90/Die Grünen und SPD aus dem Jahr 2022.

Die zehn Empfehlungen, die der Mobilitätsrat erarbeitet hat, umfassen das komplette Spektrum von Mobilitätsthemen: Klimaschutz durch mehr Grünanteile in der Stadt, Stärkung des ÖPNV, mehr Platz auf Fußwegen und das Schaffen von mehr Aufenthaltsflächen in Straßenräumen sind einige der vom Mobilitätsrat genannten Aspekte. Die Verwaltung wird die Empfehlungen prüfen, um sie gegebenenfalls in den Planungen des sogenannten Masterplans Mobilität zu berücksichtigen. „Genau in der Mischung der Ansätze liegt der Reiz eines solchen Beirates. Es wird ohne Barrieren gedacht und es werden vielfältige Vorschläge gemacht“, sagt Stadtbaurat Thomas Vielhaber.

Die Empfehlungen des Mobilitätsrats in 10 Punkten

  1. Beim Umbau der Straßenräume in unseren Quartieren wollen wir mitgenommen und beteiligt werden. Dabei darf auch experimentiert und es dürfen zeitlich/saisonal unterschiedliche Nutzungen (z.B. in der Sommersaison) erprobt werden. Es sollen vermehrt Verkehrsberuhigungsmaßnahmen (z.B. durch Verkehrsberuhigte Bereiche oder durch Elemente der Straßenraumgestaltung) eingesetzt werden. Die vorgesehenen Angebote sollen dabei konsequent durchgesetzt werden.
  2. Das Schaffen von mehr Aufenthaltsflächen in Straßenräumen führt zu einer höheren Lebensqualität. Dabei wollen wir, dass generationsübergreifende Bedürfnisse gesehen werden (z.B. Flächen für Sport und Bewegung und beschattete Sitzbereiche) und entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden. Besonders wichtig ist uns, dass den Folgen von höheren Temperaturen durch mehr Grünanteile und weniger Versiegelung begegnet wird.
  3. Der Kfz-Verkehr soll in sensiblen Stadtbereichen (z.B. Wohnquartieren) durch restriktive Maßnahmen, wie Bewirtschaftung durch Bewohnerparken, gelenkt werden. Diese müssen zu Veränderungen führen und dürfen „weh tun“. Daneben geht es uns aber auch darum, vorhandene Stellplatzkapazitäten in privaten Räumen clever auszunutzen und sicherzustellen, dass in Bewohnerparkgebieten begrenzte Stellplatzlizenzen für den öffentlichen Straßenraum vergeben werden können.
  4. Wir brauchen ausreichend breite, sichere und durchgängige Wegeverbindungen für vielfältigen Radverkehr. Dort, wo Flächen für den fließenden und ruhenden Radverkehr benötigt werden, sollen diese Kfz-Stellplatzflächen vorgezogen werden. Der Fußverkehr darf dabei nicht eingeschränkt werden, sondern soll auch verbessert werden. Wir wollen, dass der wachsende Bedarf an Radabstellanlagen in Quartieren dezentral gelöst und an Zielorten bedarfsweise gedeckt wird.
  5. Bei Maßnahmen, die mittels Gebühren ihre Wirkung entfalten, soll die soziale Verträglichkeit berücksichtigt werden. Wir möchten wissen, für welche Maßnahmen die eingenommenen Gelder eingesetzt werden.
  6. Um zügig von A nach B zu kommen, wollen wir, dass Verbindungen zwischen Stadtteilen, die am Zentrum vorbeiführen (Tangenten) im ÖPNV und im Radverkehr ausgebaut und gestärkt werden. Das führt zur Verdichtung des Netzes in den Zwischenräumen und zu mehr Umstiegsmöglichkeiten. Reisezeitnachteile gegenüber dem Kfz sollen dadurch abgebaut werden.
  7. Im ÖPNV wollen wir, dass mehr Umstiegspunkte geschaffen werden, an denen die Verkehrsmittel aufeinander abgestimmt sind. Dort sollen ergänzende (Transport-)Angebote für die letzte Meile vorhanden sein. Alle Mobilitätsangebote sollen wiedererkennbar und einfach, u.a. digital nutzbar sein (z.B. Tarifmodelle, Informationen, Zahlungsmöglichkeiten).
  8. Wir wollen, dass Barrierefreiheit über die ganze Wegekette, von der Haustür bis zum Ziel, mitgedacht wird und z.B. nicht an einer Haltestelle aufhören darf. Dazu gehören auch Bänke entlang von Wegen und öffentlich zugängliche, barrierefreie Toiletten. Das zeigt den größten Respekt gegenüber denjenigen, die mit körperlichen Einschränkungen zu tun haben. Darüber hinaus ist uns eine Offenheit gegenüber der Erprobung individueller Transportmöglichkeiten auf der ersten und letzten Meile wichtig.
  9. Wir wollen, dass die Planungen vor Ort an den vorhandenen Bedürfnissen ausgerichtet werden; z.B. in Bezug auf das Einrichten von Behindertenstellplätzen, bei Lösungen zum Liefern und Laden oder bei Anforderungen durch ambulante Dienste und Pflege.
  10. Es sollen Maßnahmen angestoßen werden, welche die gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr zwischen Verkehrsteilnehmenden fördern (z.B. die Vermeidung von Gehwegparken). Für die soziale Sicherheit wollen wir, dass sowohl die Beleuchtung von Wegen und Treffpunkten als auch die Pflege öffentlicher Räume verbessert werden.

Bunte Mischung an Teilnehmenden

Ein Einwohner*innenrat wird in der Regel auf Basis einer Zufallsauswahl aus dem Einwohnermelderegister anhand ausgewählter Kriterien vielfältig besetzt. Das war die Grundlage für die Verwaltung bei der Aufstellung des Mobilitätsrates. Die Zufallsstichprobe aus dem Melderegister umfasste 1500 Einwohner*innen. Als Kriterien wurden etwa Geschlecht, Alter, Herkunft aus den Stadtbezirken, Migrationshintergrund und Bildungsabschluss angewandt. Aus dem Kreis der ausgewählten Personen meldeten sich 187 Personen zurück. Aus diesem Kreis wurden 40 Personen ausgewählt und zur Mitwirkung im Mobilitätsrat eingeladen.

Das sagen Beiratsmitglieder

Barselona Kollecker (48 Jahre) aus Misburg hat es nicht bereut, beim Mobilitätsrat mitgemacht zu haben: „Ich finde die Mischung der Teilnehmer*innen gut. Mir ist wichtig, verschiedene Meinungen auszutauschen. Ich benutze gerne Bus, Bahn und Fahrrad und möchte dafür Verbesserungen erwirken. Ich wollte mich schon lange engagieren. Hier habe ich das Gefühl etwas Sinnvolles zu tun.“

Ähnlich geht es Jason Dittmer, der 18-jährige aus Linden-Limmer möchte konkrete Verbesserungen vor der Haustür: „Es ist mir wichtig, über den vielen Verkehr in Hannover und der direkten City zu sprechen. Barrierefreiheit ist mir ebenfalls ein großes Anliegen. Die Gruppenarbeiten sind sehr gut gelaufen und ich bin zufrieden mit den Empfehlungen, die wir dem Oberbürgermeister übergeben konnten. Wenn wir uns als Stadtgesellschaft nicht mit der Thematik Mobilität auseinandersetzen und uns auch Gedanken machen, dann können wir auch keine Veränderungen erwarten.“ „Meine Erwartung war, dass wir viel mehr unterschiedliche Ansichten zur Fortbewegung in der Stadt haben“, sagt Moritz Schwengber aus der List. Ihn habe es überrascht, dass es innerhalb des Einwohner*innenrates so viel Zuspruch für Fahrrad und den ÖPNV gab. „Schade finde ich aber, dass sich manche kritischen Stimmen sehr früh aus dem Gremium zurückgezogen haben. Denn die Diskussion mit diesen Teilnehmer*innen hätte nochmal neue Aspekte gebracht“, ergänzt der 38-Jährige.

Hintergrundinformationen:

Der Mobilitätsrat ist der erste losbasierte „Einwohnerrat“ der LHH als neues Format für Beteiligung. Aufgaben des Mobilitätsrats sind es, persönliche Erfahrungen, Meinungen und Interessen aus der Perspektive der Bewohner*innen der Stadt und der Verkehrsteilnehmenden in den Arbeitsprozess einzubringen. Daraus sollen Empfehlungen zur Entwicklung der Mobilität im Rahmen des Masterplans Mobilität erarbeitet und formuliert werden. Der Masterplan Mobilität beschreibt als Orientierungsrahmen, wie sich die Mobilität in der Stadt Hannover bis zum Jahr 2035 entwickeln soll. Die Fortschreibung des Masterplans Mobilität startete im Spätsommer 2023 und soll im ersten Quartal 2025 inhaltlich abgeschlossen werden. Verschiedene Angebote informeller Beteiligung dienten der Erarbeitung von Empfehlungen, die im Arbeitsprozess fachlich geprüft und wo möglich eingearbeitet wurden. Die Politik beschließt den Masterplan. Als prozessbegleitendes Gremium wurde ein nicht-öffentlicher Arbeitskreis mit Vertretungen aus Institutionen, Politik und Verwaltung installiert, der in sechs Sitzungen tagte. Der Mobilitätsrat tagte in vier Sitzungen im Jahr 2024.