Probenähen: Sag mal Bianca, warum hast du eigentlich kein Team?

probenähen: Taschen nähen mit den Schnittmustern von limetrees

Hey hallo, diese Frage nach dem probenähen wurde mir in den letzten Monaten immer mal wieder gestellt. Und die Antwort darauf ist genauso kompliziert wie einfach. Aber alles läuft auf eine Sache hinaus: ich fühle mich nicht wohl dabei.

Ich möchte das gerne genauer erklären. Jeder kann beim Probenähen und Designnähen tun und lassen, was er möchte. Nur er/sie alleine muss sich damit gut fühlen, nicht ich :-). Meine Meinung war auch nicht immer so. Ich habe eigentlich alles durch bei dem Thema. Früher war die community ja recht klein. Jede kannte jede. Man hat sich gegenseitig unterstützt. Da habe ich auch für verschiedene Schnittmusterlabel probegenäht. Das lief ganz unterschiedlich. Das eine Label holt Probenäherinnen sehr früh ins Boot. Das bedeutet, dass man viel für die Tonne näht oder so massiv in den Schnitt eingreifen muss, um das Teil noch zu retten, dass es sich beinah wie ein neuer Schnitt anfühlt. Neben der Zeit bringt man so auch viel Material ein. Bei anderen Label ist der Schnitt eigentlich schon perfekt oder nah dran. Da geht es nur noch ums Feintuning und das Testen an möglichst vielen unterschiedlichen Figuren. Und natürlich geht es immer um das Sammeln von Produktfotos fürs Marketing. Das gilt besonders auch für das Vernähen von neuen Stoffen. Da habe ich auch einiges gemacht. Sogar GOTS zertifizierte Stoffe waren dabei. Gerade das ist paradox, da das Label ja für faire Bezahlung steht. Ich habe auch selbst schon Probe- und Designnähen betreut und sogar beim Schreiben von fremden eBooks geholfen. Ich sage ja, ich habe eigentlich alles durch bei diesem Thema :-). Vieles war noch zu unseren Ladenzeiten. Da war das Vernähen von Stoffen besonders interessant für uns. Bei der Flut an Motivstoffen haben wir selten mehr als das Minimum bestellt. Das sind 6-8 Meter. Wenn du daraus noch ein Designbespiel fertigst, geht die Gewinnmarge gen Null. Da war es für uns praktisch zumindest den Stoff zu bekommen und das schon, bevor er in Produktion geht. Das war einfach ein toller Zeitgewinn. Wird die Kollektion ausgeliefert, kannst du sofort dekorieren und bekommst noch einen Link vom Großhändler oder Designer obendrauf.

Warum ich jetzt weder an Probenähen und Designnähen teilnehme oder sie veranstalte? Ich habe mich nie richtig wohl dabei gefühlt. Ich bin sicher weder übergroße Menschenfreundin noch Gewerkschafterin. Aber tief in mir schlummert noch die Sportlerin von früher, der fairplay immer sehr wichtig war. Und ich finde das einfach nicht fair. Limetrees ist in diesem Monat 15 Jahre alt geworden. In dieser Zeit hatten wir mal mehr und mal weniger Mitarbeiter. Wenn wir Hilfe im Verkauf brauchten, haben wir jemanden eingestellt. Brauchten wir Unterstützung bei den Nähkursen, haben wir jemanden eingestellt oder mit anderen Unternehmen kooperiert. Brauchten wir Hilfe beim Pakete packen, haben wir jemanden eingestellt. Galt es Designbeispiele für den Laden oder die Webseiten zu nähen, haben das entweder die Mitarbeiterinnen oder ich übernommen. Warum also sollte ich nun, da ich mehr Schnittmuster raus bringe als früher die Qualitätskontrolle und das Marketing in die Hände von unbekannten und unbezahlten Menschen aus dem Internet legen? Ich meine das überhaupt nicht abwertend. Viele Frauen da draußen leisten in solchen Gruppen hervorragende Leistung. Sie durchlaufen Bewerbungsverfahren wie echte bezahlte Mitarbeiter, sind es aber nicht. Immer wieder ist von Dramen zu lesen, wenn jemand nicht ausgewählt wird und sich schlecht fühlt. Auf der anderen Seite ist von großer Freude zu lesen, wenn jemand ausgewählt wird. Eine riesige Macht liegt da in den Händen der großen und kleinen Unternehmen aus dem Nähzirkus.

Ich finde bei allem Spaß, den es in vielen Probenähgruppen gibt, das ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Wir reden über Dinge wie me-time, gerechte Bezahlung von Care-Arbeit, gleiche Bezahlung von Männern und Frauen. Und dann nutzen wir Unternehmen einer ganzen Branche die Arbeitskraft von Frauen, die paradoxer Weise gleichzeitig auch unsere Zielgruppe sind, als kostenlose Arbeitskräfte? Schlimmer noch wir verhindern dadurch die Schaffung von bezahlten Arbeitsplätzen als NäherInnen, im Marketing oder als bezahlte InfluencerIn.

Da bin ich raus. Ich gehe einen anderen Weg. Der ist sicherlich steiniger und länger, haha und sicherlich auch teurer. Aber ich fühle mich gut dabei. Meine Schnitte werden auch getestet und ich bitte auch mal eine Freundin um kostenlose Hilfe. Aber das fühlt sich für mich richtig an; denn für eine Freundin würde ich sofort das gleiche tun, wenn sie mich darum bittet.

Ich habe in den letzten Monaten viel darüber nachgedacht, wo für mich persönlich die Grenze ist. Ich als Unternehmerin möchte Menschen, die ich nicht bezahle, nicht wie Mitarbeiter benutzten. Aber so fühlt sich Probe- und Designnähen für mich an. Ich stelle mir das dauerhaft auch wirklich schwer vor gegenüber dem Finanzamt und den Sozialversicherungsträgern. Jeder, der schon mal eine Prüfung durch den Rentenversicherungsträger für seine Beschäftigten hinter sich hat, weiß wovon ich rede. Ich persönlich unterstütze gerne persönliche Freunde sowie befreundete Unternehmen. Ich mag auch den Austausch zwischen Kunden und Unternehmen auf verschiedenen Social Media-Plattformen; denn das macht social media aus. Niemand, der dort etwas teilt, tut es in meinem Auftrag, sondern teilt es freiwillig. Ich honoriere das, indem ich darauf reagiere, wenn ich es sehe, als Zeichen meiner Wertschätzung.

Also liebe Leute da draußen, macht was ihr wollt. Richtet so viele Probenähen aus, wie ihr möchtet. Ihr anderen bewerbt euch auf so viele Probenähen oder Designnähen, wie ihr möchtet. Hauptsache ist, jeder fühlt sich wohl mit dem, was er tut. Aber vielleicht kann ich ein bisschen zum Nachdenken anregen und andere Unternehmen dazu anregen, ein paar bezahlte Arbeitsplätze in einer von Frauen dominierten Branche zu schaffen. Denn das ist die bessere Form von „women support women“ für mich <3.

Bis bald Bianca

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