„Vom Ausnahmezustand zum Alltag – von der Improvisation zur Integration “
„Ankommen – unterstützen – miteinander leben“ – unter diesem Titel zieht die Landeshauptstadt Hannover (LHH) erstmals in einem Flüchtlingsbericht eine Zwischenbilanz über die Entwicklung seit Beginn der starken Flüchtlingszuwanderung.
Zugleich benennt der am Montag (26. September) von Oberbürgermeister Stefan Schostok vorgestellte Flüchtlingsbericht die aktuellen Herausforderungen für Hannover insbesondere bei der Integration der Flüchtlinge und gibt einen Ausblick auf die dafür notwendigen und geplanten Maßnahmen.
Zusammen mit dem Flüchtlingsbericht hat die Stadtverwaltung auch ihre geänderten Planungen für den Bau weiterer Flüchtlingsunterkünfte präsentiert. Angesichts der aktuell nur geringen Zahl neu ankommender Flüchtlinge werden nun einige Vorhaben zurückgestellt, einige auch eingestellt.
„Hannover hat die Unterbringung und Betreuung vieler tausend Flüchtlinge in kurzer Zeit mit großem Einsatz sehr vieler Menschen gut bewältigt, auch in der Phase sehr schneller Zuweisungen und gleichzeitig fehlender Koordination im Bund und in den Ländern. Die Situation hat sich deutlich verbessert. Jetzt geht es darum, Zwischenbilanz zu ziehen, die Unterbringungskapazitäten zu überprüfen und die richtigen Weichen für die langfristige Integration derjenigen Flüchtlinge zu stellen, die hier bleiben und sich eine neue Zukunft aufbauen wollen“,erklärt Oberbürgermeister Stefan Schostok.
Aktuell leben in Hannover noch rund 4.300 Flüchtlinge in städtischen Unterkünften, wegen der geringen Anzahl neuer Flüchtlinge mit sinkender Tendenz. Hinzu kommen rund 430 alleinlebende minderjährige Flüchtlinge. Das Land Niedersachsen sieht sich bis auf weiteres noch nicht zu einer Aktualisierung der Zuweisungsquote in der Lage. Theoretisch müsste Hannover aktuell noch mehr als 5.000 Flüchtlinge aufnehmen. Das Niedersächsische Innenministerium teilte vergangene Woche der Landeshauptstadt mit, dass eine Neufestsetzung der Verteilkontingente erst im November 2016 erforderlich werde. Aufgrund der weiterhin auf niedrigerem Niveau gebliebenen Zugangszahlen sei von einem erheblich geringeren zu verteilenden Gesamtkontingent auszugehen als bisher.
Kapazitätsplanungen für Unterkünfte überarbeitet
„Wir haben uns trotz fehlender neuer Quote entschieden, unsere Kapazitätsplanungen für die Unterkünfte etwas anzupassen. Wir räumen bereits schrittweise große Notunterkünfte und nutzen die nach und nach fertiggestellten Gemeinschaftsunterkünfte. Einige der geplanten Standorte werden wir allerdings vorerst zurückstellen oder aufgeben“, erklärt Schostok. Eine entsprechende von Stadtbaurat Uwe Bodemann vorgelegte Drucksache ging am Montag zur Beratung und Entscheidung an die Ratsgremien. (Details zur Unterbringung siehe in der Drucksache 2087/2016 und der beigefügten Präsentation des Stadtbaurates.)
Der erste Flüchtlingsbericht für Hannover zielt vor allem auf die Integration der Flüchtlinge ab, die anerkannt werden oder ein Bleiberecht bekommen. „Damit die Chancen der Integration auch genutzt werden können, entwickelt die Stadtverwaltung die bisherigen Erfahrungen und Maßnahmen in der Flüchtlingsarbeit weiter. Wir sehen uns dabei als Motor für die Integration und wollen damit möglichst viele Flüchtlinge wie Unterstützer aktivieren“, betont Schostok.
Der Oberbürgermeister stellt dabei auch die Arbeit der bestehenden Unterstützungsgruppen und Nachbarschaftskreise für die bestehenden Flüchtlingsunterkünfte heraus. Schostok: „Diese vielen engagierten Ehrenamtlichen haben inzwischen viele Beziehungen zu ‚ihren‘ Flüchtlingen aufgebaut. Dies ist zusammen mit dem großen Engagement der Stadtverwaltung bereits eine wichtige Basis für eine erfolgreiche Integration und den Aufbau eines normalen Lebensalltags.“
Integrationsarbeit verlagert sich in die Stadtteile
Der Verwaltungschef kündigte an, dass das vor zwei Jahren von der Stadt kurzfristig geschaffene Integrationsmanagement auch künftig für Integration eine, wenn auch veränderte, neue Schlüsselrolle bekommt. In dem Maße wie Flüchtlinge aus Gemeinschaftsunterkünften in eigene Wohnungen umziehen, sich beruflich qualifizieren und eine Berufsperspektive entwickeln, verlagert auch das Integrationsmanagement seine Arbeit schrittweise aus den Unterkünften in Richtung Stadtteile und Quartiere.
Dabei gelte es, wie Sozialdezernentin Konstanze Beckedorf herausstellt, die vielen stadtweit bereits vorhandenen Einrichtungen und Aktivitäten in den Quartieren zu nutzen und mit dem Integrationsmanagement zu verknüpfen. Beckedorf nennt unter anderem das Stadtbezirksmanagement, das Quartiersmanagement, die Gemeinwesenarbeit, Stadtteilzentren sowie Einrichtungen der Jugendarbeit.
Koordinierungsstelle für bürgerschaftliches Engagement
Auch die neu geschaffene Koordinierungsstelle Flüchtlingshilfe, die bisher Freiwillige an Unterstützer- und Nachbarschaftskreise und die Betreiber von Flüchtlingsunterkünften vermittelt hat, bekommt eine neue Rolle. „Wir wollen die große Bereitschaft vieler Menschen in Hannover, sich kontinuierlich in der Flüchtlingsarbeit zu engagieren, aufnehmen und zu einer Koordinierungsstelle für bürgerschaftliches Engagement werden“, kündigt Schostok an.
Stadtverwaltung mit neuen Arbeitsstrukturen
Mit dem Flüchtlingszustrom haben sich die Anforderungen an die Stadtverwaltung binnen kurzer Zeit enorm verändert. Seit 2012 hat sich die Zahl der Flüchtlinge in Hannover mehr als versechsfacht. Teilweise kamen pro Woche bis zu 150 Menschen in die LHH. Zwischenzeitlich musste das „Drei-Säulen-Modell“ für die Unterbringung aus Wohnungen, Wohngruppen und Gemeinschaftsunterkünften vorübergehend um die vierte Säule der Notunterkünfte erweitert werden.
Die Stadtverwaltung hat deshalb parallel zur Flüchtlingsentwicklung ihre Arbeitsstrukturen angepasst:
- Einsatz einer gesamtstädtischen Projektorganisation unter Leitung des Ob
- Betreiberkoordinierung für die Unterkünfte
- Aufbau eines Integrationsmanagements
- Koordinierungsstelle Flüchtlingshilfe
- Flüchtlingskommunikation
Oberbürgermeister Schostok: „Wir arbeiten zum Thema Flüchtlinge inzwischen durchweg übergreifend und können daher besser und schneller abstimmen und entscheiden. Die Verwaltung hat sich anpassungsfähige Strukturen geschaffen und kann jetzt sowohl auf sinkende als auch steigende Flüchtlingszahlen gut reagieren. Wir überprüfen aber aktuell erneut, ob und wie wir bei Unterbringung und Betreuung noch effizienter werden können.“
Abbau der Notunterkünfte – Wohnungsbauförderung für alle
Nach der zentral gesteuerten Notunterbringung in sehr großen zentralen Unterkünften geht es nun darum, einen Wechsel in kleinere Gemeinschaftsunterkünfte, Wohngruppen oder auch nach der Anerkennung in eigene Wohnungen und damit in die Stadtteile und Quartiere zu gestalten. Mittelfristig will die Stadtverwaltung alle Notunterkünfte auflösen und lediglich einige ausgewählte (Deutscher Pavillon, ehemalige Märkte in Badenstedt und Vahrenheide) als zeitlich befristete Reserve nutzen, wie Stadtbaurat Bodemann ankündigte.
Frei werdende Unterkünfte oder nicht mehr genutzte Standorte wie zum Beispiel das ehemalige Oststadtkrankenhaus sollen für den Wohnungsbau genutzt werden. Auch die zusammen mit der Wohnungsbauwirtschaft in Hannover gestartete Wohnungsbauoffensive zeichne sich dadurch aus, dass von den geplanten jährlich mindestens 1.000 neuen Wohnungen ein spürbarer Teil für Menschen mit geringerem Einkommen avisiert sei und damit auch für Flüchtlinge in Frage komme.
Von der Ausnahmesituation zum Alltag
Die aktuell geringen Zuweisungszahlen will die Stadtverwaltung „für den Übergang von der Ausnahmesituation in den Alltag nutzen“, erläutert Schostok. Wichtig sei, dass auch Bund und Land ihre Förderungen über das bisherige Maß ausweiten. „Unterbringung und insbesondere die längerfristige Integration von Flüchtlingen werden die kommenden Jahre zum Alltag unserer Arbeit und unseres Stadtlebens gehören. Nach den Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre wissen wir, dass Hannover dafür gut gewappnet ist.“
HINWEIS: Der Flüchtlingsbericht ist Teil der Drucksache Nr 2088/2016 an die Ratsgremien. Die Vorschläge der Verwaltung zur Unterbringung werden dem Rat zur Beratung und Entscheidung in der Drucksache 2087/2016 vorgelegt.