Allgemeines

Große Revision im Kraftwerk Stöcken

Runderneuerung des Kraftwerks in Stöcken

Nach bald 20 Jahren Betriebszeit ist im Gemeinschaftskraftwerk Hannover (GKH) seit 24. April die zweite Große Revision im Gange. Solche Großen Revisionen in Kohlekraftwerken sind alle 80.000 Betriebsstunden fällig. Nachdem im September 2008 der Block 1 auf Vordermann gebracht wurde, ist schließlich Block 2 von Hannovers größtem Kraftwerk an der Reihe.

Eine derartige Grundüberholung hat die Ausmaße einer Großbaustelle und macht sich durch allgegenwärtige Montagearbeiten im Kesselhaus, dem Maschinenhaus und anderen Teilen des Stöckener Kraftwerks bemerkbar. Im Gegensatz zu den routinemäßigen jährlichen Kleinen Revisionen herrscht dort für die nächsten acht Wochen eine Art „Ausnahmezustand“.

Am Morgen des 4. Mai wurde der 105 Tonnen (entspricht 100 Kleinwagen) schwere Trafo per Schwerlastkran auf einen Tieflader – so der Fachjargon – „verzogen“. Der Block 2-Trafo zeigte Verschleißanzeichen auf und muss deshalb beim Hersteller intensiv geprüft und instand gesetzt werden. In ihm wird der in Block 2 des Kraftwerks erzeugte Strom von 10.000 Volt auf 110.000 Volt für das 110 kV-Hochspannungsnetz transformiert. Über das Hochspannungsnetz gelangt der Strom zu den Umspannwerken in den einzelnen Stadtgebieten. Aufgrund seiner Ausmaße (8,00 m Länge / 3,30 m Breite / 4,00 m Höhe) darf er nur über Nacht zu Siemens nach Dresden transportiert werden. Die Abfahrt aus Stöcken wird am Montag um 22.00 Uhr, die Ankunft in Dresden am Dienstagmorgen gegen 6.00 Uhr sein. Der Transport darf nur nachts von 22.00 bis 6.00 Uhr erfolgen. Am 10. Juni soll der instand gesetzte Trafo wieder im GKH Stöcken eintreffen.

Im Zuge der Großen Revision des Block 2 werden weitere zentrale Bestandteile wie die dreistufige Dampfturbine, der 80 Meter hohe Kessel, die Kohlemühlen, die gesamte Rauchgasreinigung sowie weitere große Anlagenteile werden komplett geöffnet, teils demontiert und einer gründlichen Wartung und Erneuerung unterzogen. Der Läufer (die rotierende Achse) des Generators muss mit einer neuen Wicklung versehen werden und das Hochdruckteil der dreistufigen Dampfturbine müssen im Siemens-Werk in Mühlheim a.d. Ruhr überholt werden. Des weiteren wird die komplette Leittechnik überprüft, dem Stand der Technik angepasst und in diesem Zuge auch die Turbinensteuerung und Regelung komplett erneuert. „Die Versorgung ist dabei durchgängig gesichert, denn parallel läuft der erst im letzten September runderneuerte Block 1 des Kraftwerks auf Volllast weiter und sichert die Strom- und Wärmeversorgung Hannovers sowie der angrenzenden Industriebetriebe“, betont Harald Noske, Technischer Direktor der Stadtwerke Hannover AG.

Die meisten Arbeiten können vor Ort wahrgenommen werden. Zeitweise sind daher zusätzlich rund 250 Mitarbeitende von Fremdfirmen in Stöcken beschäftigt. Neben großen Kraftwerksbauunter-nehmen sind auch viele regional ansässige Unternehmen eingebunden. „Unsere rund 130 Köpfe zählende enercity-Belegschaft ist voll in das Vorhaben eingespannt – von den Ingenieuren, über die gesamte „Mannschaft“, bis hin zur vier Mal so stark frequentierten Kantine. Die Ingenieure haben diesen intensiven Kraftwerks-Check bereits vor zweieinhalb Jahren begonnen zu planen“, so Kraftwerksleiter Heiner Kemnitz.

In dem riesigen Kessel, wo sonst Dampf auf gut 540 Grad Celsius erhitzt wird, welcher mit einem Druck von 180 bar (2 bar hat ein Autoreifen) die dreistufige Dampfturbine antreibt, müssen die als Wärmetauscher dienenden, inzwischen stark korrodierten Heizflächen ausgetauscht werden. Dies bedeutet, dass über 9.000 Meter Wärmetauscher-Rohre ausgewechselt werden müssen. Dabei müssen vorgefertigte Rohrschlangen von unten in den Kessel gezogen und in etwa 50 Meter Höhe eingeschweißt werden. Rund 1.700 Schweißstellen müssen hierfür bearbeitet werden.

Die Große Revision des Blocks 2 wird planmäßig bis zum 28. Juni beendet sein. Um die Stillstandszeit des Kraftwerksblocks so kurz wie nur möglich zu halten, wird in zwei oder teilweise auch drei Schichten gearbeitet. Für die umfangreichen Wartungsarbeiten und Ersatzbeschaffungen im Rahmen dieser zweiten Großen Revision wird ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag investiert.

Im Vergleich zur ersten Großen Revision im Jahr 1997 ist die aktuelle deutlich aufwändiger. Die nun fast zwanzigjährige Betriebszeit des Kraftwerks hat Spuren an den Anlagenkomponenten hinterlassen. „Ein Großteil der Verschleißteile musste zwar ausgewechselt werden, aber mit den aktuellen Arbeiten wird das komplette Kraftwerk wieder grundlegend runderneuert. Damit wird der zuverlässige Betrieb für die nächste Dekade gesichert“, fasst Kraftwerksleiter Kemnitz die Perspektiven für den Kraftwerksbetrieb optimistisch zusammen. „Wenn wir am 20. September anlässlich des 20-jährigen Betriebs hier in Stöcken wieder einen Tag des offenen Kraftwerks veranstalten, werden die Besucher eine Anlage auf dem neuesten Stand vorfinden. Ähnlich wie letzten Sommer im Heizkraftwerk Linden, werden wir über einen Parcours Tausenden von Gästen die Besichtigung ermöglichen“, freut sich Technikvorstand Noske.

Hintergrund-Information zum Kraftwerk

Das Gemeinschaftskraftwerk Hannover (GKH) mit seiner auffälligen Architektur am Nordhafen verdankt seine Existenz besonderen Umständen. Die produktivste Energieerzeugungsanlage Hannovers beruht auf einer Zusammenarbeit zwischen dem örtlichen Energieversorger auf der einen Seite sowie VW und Continental mit ihren zwei Produktionsbetrieben in Hannover auf der anderen Seite.

Anfang der 80er Jahre standen die drei Partner vor der Herausforderung ihre Kraftwerksanlagen zu erneuern und der Umweltschutzgesetzgebung anzupassen. Umfassende Berechnungen zur Technik und Wirtschaftlichkeit sowie Emissionsvergleiche zeigten, dass ein gemeinsames Heizkraftwerk erhebliche Vorteile gegenüber drei Einzellösungen bringen würde. 1984 entschieden sie sich für ein neues, gemeinsames Heizkraftwerk und durch die gründliche Vorplanung wurde in nur dreieinhalb Jahren Bauzeit das GKH 1988 realisiert. Aus Gründen der Versorgungssicherheit wurde eine Doppelblockanlage konzipiert.

Das GKH deckt den gesamten Prozess- und Raumwärmebedarf von VW und Conti, ebenso die Grundlast an Fernwärme und Strom für das Versorgungsgebiet der Stadtwerke, bei der Fernwärme sind das mehr als 60 Prozent des Jahresbedarfs in Hannover. VW erhält aus dem GKH außerdem Strom zur anteiligen Lastdeckung.

Die Bündelung der drei größten Wärmebedarfspotenziale Hannovers ermöglichte nicht nur eine konsequente Ausnutzung der energiesparenden Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Durch den ganzjährigen industriellen Prozesswärmebedarf konnte diese umweltfreundliche Kombination von Strom- und Wärmeproduktion nun auch im Sommer ausgeprägt erfolgen. Dies ermöglicht eine besonders wirtschaftliche Stromerzeugung bei gleichzeitiger Schonung fossiler Brennstoffressourcen. Im GKH erfolgt eine Primärenergieeinsparung von rund 160.000 t Steinkohleeinheiten pro Jahr gegenüber den damals abgelösten Altanlagen der drei Partner.

Die gleichzeitige Produktion von Strom und Fernwärme in Heizkraftwerken reduziert zwar geringfügig den Anteil an erzeugtem Strom, erhöht aber die Ausnutzung der Primärenergie um das Zweifache. Bei voller Wärmeauskopplung liegt die Brennstoffausnutzung bei etwa 88 Prozent – aufgrund des niedrigen Wärmebedarfs im Sommer sinkt allerdings dieser Wirkungsgrad im Jahresmittel ab.

Eine vorbildliche Rauchgasreinigung sorgt für eine über die gesetzlichen Anforderungen hinaus gehende Emissionsminderung. Die Rauchgase, die den kohlenstaubgefeuerten Hochdruckdampfkessel verlassen, sind auf etwa 130 0C abgekühlt und werden vor der Ableitung in den Kamin in drei Abschnitten gereinigt.

In den letzten Jahren wurden immer wieder Teile der Gesamtanlage modernisiert. Insbesondere Wirkungsgradverbesserungen über eine Reduktion des elektrischen Eigenbedarfs waren das Ziel. Im Ergebnis benötigt das Heizkraftwerk inzwischen jährlich 10.000 t Steinkohle weniger als zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme; dies bedeutet auch fast 30.000 t/a CO2-Emissionsreduzierung.

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PM: Stadtwerke Hannover AG